
Gastbeitrag von Stephan Randler, freier Fachjournalist und spezialisiert auf E-Commerce, Versandhandel und Online-Marketing.
Wie Inhalte im Internet gefunden werden, verändert sich gerade grundlegend. Denn zum einen liefert Google bei Suchanfragen jetzt KI-generierte Übersichten. Zum anderen wird aber auch ChatGPT für die Online-Suche relevanter. Doch die KI kann Antworten liefern, die Nutzer vollauf zufrieden stellen. Für Werbetreibende wird es daher schwerer, Nutzer über Content aus Suchmaschinen auf ihre Website zu locken. Unternehmen eröffnet die KI-Suche aber auch Chancen – wenn sie ihr Content-Marketing entsprechend aufstellen.
Der 26. März ist in Deutschland nicht gerade als ein geschichtsträchtiges Datum bekannt. Das aber könnte sich durchaus noch ändern. Denn vielleicht steht der 26. März 2025 ja künftig für den Tag, an dem sich die Spielregeln beim Content-Marketing grundlegend geändert haben.
Seit besagtem Tag können Internetnutzer in Deutschland jedenfalls erstmals auch KI-generierte Antworten erhalten, wenn sie bei Google online nach Informationen suchen. Diese “Übersichten mit KI” können zusätzlich zu den gewohnten Trefferlisten auf Ergebnisseiten erscheinen und werden über ein angepasstes Modell von Googles hauseigener KI-Plattform “Gemini” generiert.
Nutzer erhalten dadurch kurze Zusammenfassungen zu Themen, nach denen sie bei Google suchen. Das ist gut für Verbraucher, die so schneller und bequemer an Informationen kommen können. Kein Wunder also, dass Nutzer laut Google bei KI-Übersichten mit den Ergebnissen zufriedener sind. Doch aus genau diesem Grund können die neuen KI-Übersichten gerade für Website-Betreiber zu einem echten Problem werden. Zwar gibt es bei KI-generierten Antworten auch immer Icons, die auf passende Internetseiten verlinken. Wenn aber die KI-Antworten alle wichtigen Infos liefern, müssen Nutzer nicht mehr zwangsläufig eine andere Website besuchen.
Such-Traffic geht verloren
Das ändert die Spielregeln beim Content-Marketing entscheidend. Denn bislang galt: Wer gute Inhalte veröffentlicht und Texte für Suchmaschinen optimiert (SEO), wird von Google dafür mit einer guten Position in den Trefferlisten bei den passenden Suchen belohnt. Website-Betreiber bekommen damit organischen – also unbezahlten – Suchmaschinen-Traffic, während Google seinen Nutzern gute Suchergebnisse bieten kann. Doch mit KI-Übersichten erhöht Google nur den Komfort für seine Nutzer – während Content-Publisher unter Umständen leer ausgehen.

Martin Junfer, “Head of Content” bei Galaxus, Bildquelle: Galaxus
Unternehmen sehen jedenfalls, dass ihr Google-Traffic seit einigen Wochen schwindet. Das beobachtet zum Beispiel der Online-Händler Galaxus, der ein Online-Magazin betreibt. “Wir sehen einen Rückgang von Aufrufen via Google bei bestimmten Typen von Inhalten”, verrät Martin Jungfer, der als “Head of Content” das Online-Magazin verantwortet. Weniger Traffic über Google gibt es ihm zufolge zum Beispiel bei einem Artikel dazu, dass Verbraucher ihre kaputten Trinkgläser im Atlglas entsorgen müssen. Der Link zu dem Beitrag erscheint zwar nach wie vor auf der ersten Ergebnisseite bei Google, wenn Nutzer jetzt online nach diesem Thema suchen (“Kaputte Trinkgläser ins Altglas”). Doch eine neue KI-Übersicht von Google verrät jetzt eben auch, dass kaputte Trinkgläser in den Restmüll gehören (siehe Screenshot).

KI-Übersicht von Google
Den Beitrag von Galaxus muss man also nicht mehr lesen, um sich zu informieren. Dabei veröffentlichen Unternehmen wie Galaxus ihre Inhalte ja nicht zum Selbstzweck, sondern betreiben damit Content-Marketing. Ein Ziel ist dabei, neue Interessenten über spannende Inhalte bei Suchmaschinen anzusprechen und auf die eigene Website zu locken. Denn im Idealfall generieren Unternehmen aus diesem Suchmaschinen-Traffic stetig neue Kunden.
Beim Galaxus-Beitrag zeigen interne Analysen nun aber: Während der Ratgeber-Artikel in der Google-Suche bei passenden Suchanfragen unverändert sichtbar ist und Impressionen in den Trefferlisten erzielt, gibt es seit einigen Wochen weniger Klicks. Über die Hintergründe kann man letztlich zwar nur spekulieren. “Es ist aber keine allzu gewagte Hypothese, die neuen AI Overviews für sinkenden Google-Traffic verantwortlich zu machen,” argumentiert Jungfer.
Auf Nachfrage heißt es dazu aus der Deutschland-Zentrale von Google, dass man nach wie vor täglich Websites mit Milliarden von Klicks versorge. Doch es gibt keine konkrete Antwort auf die Frage, ob Nutzer wegen KI-Übersichten auf Suchergebnisseiten weniger klicken. Unabhängig davon ist für Online-Marketing-Experten aber klar, wo die Reise hingeht. “Unternehmen wird langfristig immer mehr organischer Such-Traffic verloren gehen”, prognostiziert stellvertretend Markus Hövener, Gründer und Geschäftsführer der Online-Marketing-Agentur Bloofusion.

Markus Hövener, Gründer und Geschäftsführer von Bloofusion, Bildquelle: Bloofusion
Seine Einschätzung lässt sich sehr gut nachvollziehen. Denn der Trend zur KI-Suche gewinnt derzeit nicht nur bei Google an Fahrt. Das besagen jetzt jedenfalls Zahlen zum Suchverhalten von Internetnutzern der Agentur Claneo, die auf Content-Marketing und SEO spezialisiert ist.
Laut der Untersuchung der Berliner suchen zwar aktuell 77 Prozent der Befragten wöchentlich bei klassischen Online-Suchmaschinen wie Google oder Bing. 33 Prozent dieser Teilnehmer nutzen aber auch schon wöchentlich KI-Chatbots wie ChatGPT, um sich online zu informieren.
KI-Suche boomt
Doch die Zahlen muss man relativieren. Denn die Befragung wurde online durchgeführt und ist nicht bevölkerungsrepräsentativ. Early Adopter dürften also überdurchschnittlich vertreten sein. In der gesamten deutschen Bevölkerung dürften Chatbots daher aktuell nicht so stark genutzt werden. Die Zahlen zeigen aber, wie sich die KI-Suche bei digital affinen Nutzern etabliert. Gut vorstellbar daher, dass die Chatbot-Suche auch langfristig im Mainstream ankommen wird. Bei Google hat man jedenfalls nicht ohne Grund die Suche jetzt um KI-Features erweitert. Denn bei Google sieht man auch, dass sich durch KI verändert, wie online Informationen gesucht werden.
Kein Wunder. Zum einen bieten KI-Chatbots schon immer den Komfort, dass sie ausformulierte Antworten auf Fragen liefern. Zum anderen können Nutzer bei ChatGPT inzwischen auch nach aktuellen Online-Inhalten suchen, nachdem dieser Service lange Zeit nur zahlenden Nutzern vorbehalten war und andere Nutzer mit alten Trainingsdaten auskommen mussten. Aktuelle Online-Suchen ermöglichen KI-Suchmaschinen wie Perplexity übrigens von Anfang an – und werden auch schon von 17 Prozent der Befragten laut der Claneo-Studie wöchentlich genutzt.
Unternehmen müssen sich deshalb genau überlegen, welche Inhalte beim Content-Marketing in Zukunft überhaupt noch sinnvoll sind. Zwar sehen Nutzer auch bei ChatGPT und Perplexity, aus welchen Websites sich eine KI-Antwort speist. Doch Werbetreibenden bringt es wenig, wenn ein Link zu ihrer Website erscheint – Nutzer aber nicht darauf klicken. “Unternehmen brauchen jetzt zunehmend Content, der nicht einfach durch die KI zusammengefasst werden kann”, empfiehlt daher Marketing-Profi Hövener. Sparen kann man sich ihm zufolge daher praktisch alle Artikel, die “einfache Antworten” auf Fragen von Nutzern liefern. Solche Inhalte kann die KI schließlich so zusammenfassen, dass alle Fragen beantwortet sind – wie das Beispiel von Galaxus zeigt.
Wichtig werden also Inhalte, die Nutzer in KI-Antworten zum Klicken animieren. Denkbar wäre beispielsweise Content mit Mehrwert, der über die erste Antwort der KI hinausgeht. So können Nutzer zum Beispiel über die KI-Übersicht von Google zwar erste Hinweise dazu bekommen, wie man generell ein iPhone selbst reparieren kann. Wer aber konkrete Details zu einem der einzelnen Punkte erfahren will, muss dann doch in der KI-Übersicht eine Website auswählen – schließlich erscheinen die neuen KI-Übersichten ja auf statischen Ergebnisseiten. Doch zur Wahrheit gehört auch: Bei Chatbots gibt es für Nutzer schon weniger Gründe, um noch eine externe Seite aufzurufen. Der Nutzer befindet sich schließlich persönlich im Dialog mit einem Bot – und kann hier so lange nachhaken, bis er alle Infos zufriedenstellend serviert bekommt.
GAIO kommt
Für Unternehmen bieten die KI-Suchen aber trotzdem interessante Perspektiven. Zum einen drängen mit ChatGPT & Co. jetzt neue Player in einen Markt, der seit einer gefühlten Ewigkeit ja von einem Unternehmen dominiert wird. “Durch KI-Suchen wird das Monopol aufgebrochen, das Google bei der Online-Suche hat”, argumentiert etwa Christian Grötsch, Vorsitzender des Verwaltungsrates und Gründer der Digital-Agentur dotSource. Zum anderen ergeben sich durch KI-Suchen aber jetzt auch neue Chancen, wenn Nutzer im Internet nach Empfehlungen suchen.
Christian Grötsch, Gründer der Digital-Agentur dotSource, Bildquelle: dotSource
So können Nutzer eine KI-Suche starten, um sich einen Dienstleister oder Händler empfehlen zu lassen. Wenn hier verschiedene Unternehmen genannt werden, dürften Nutzer bereitwillig Links anklicken – schließlich haben sie ja ein großes Interesse daran, einen Anbieter zu finden.
Um von der KI vorgeschlagen zu werden, sollten Unternehmen laut Online-Marketing-Experten jetzt möglichst oft im Internet erwähnt werden. “KI-Chatbots durchforsten bei Suchanfragen auf eigene Faust das Internet nach Informationen”, erklärt Magdalena Mues, die Geschäftsführerin und Gründerin von Claneo aus Berlin ist. ”Wenn man mit seiner Marke oder seinen Produkten von den richtigen Quellen im richtigen Kontext genannt wird, hat das einen positiven Einfluss.”
Magdalena Mues, Geschäftsführerin und Gründerin von Claneo, Bildquelle: Claneo
Das leuchtet ein. Denn technisch betrachtet werden bei KI-Suchen die Antworten ja nicht zuletzt auch auf Basis statistischer Wahrscheinlichkeiten generiert. Agentur-Gründerin Mues hat daher ihr Unternehmen bereits in Branchen-Portale eingetragen, um so die Sichtbarkeit von Claneo im Internet zu erhöhen – falls potenzielle Neukunden bei ChatGPT nun nach einer Agentur suchen.
Positiv auswirken auf die Sichtbarkeit in KI-Suchen kann sich ihr zufolge außerdem, wenn ein Unternehmen oft von verschiedenen und relevanten Online-Medien erwähnt wird. Um das zu erreichen, brauchen Werbetreibende aber zunächst guten und exklusiven Content mit einem konkreten Mehrwert für die Leser von anderen Online-Magazinen. Sonst wird es sehr schwer, dass andere Medien die eigenen Inhalte aufgreifen und auf ihren Plattformen veröffentlichen. In einem zweiten Schritt geht es dann darum, die produzierten Inhalte im Internet zu verteilen. “Community-Management und Presse-Arbeit gewinnen an Bedeutung”, sieht auch Grötsch.
Solche Online-Marketing-Maßnahmen laufen in den USA bereits unter dem neuen Fachbegriff “Generative Artificial Intelligence Optimization” – kurz: GAIO. Eine Garantie gibt es dabei nicht, dass sich der Aufwand lohnt und die Maßnahmen fruchten. “Wir können der KI immer nur Hinweise geben, dass wir über guten Content verfügen”, betont Claneo-Chefin Mues. “Ob die Inhalte anzeigt werden, liegt nicht in unserer Hand.” Zumal die KI bei derselben Suchanfrage unterschiedliche Ergebnisse liefern kann, während klassische Online-Suchmaschinen meist ähnliche Ergebnisse bieten. Hier werden aber auch feste Ranking-Faktoren berücksichtigt, während ChatBots bei jeder Suche eine neue Antwort nach Wahrscheinlichkeiten erzeugen.
Mehr Aufwand für weniger Klicks
Auch deshalb müssen sich Werbetreibende darauf einstellen, dass sie künftig weniger Klicks über Online-Suchen erhalten. Zudem dürften Internetnutzer nach einer Empfehlung vielleicht seltener suchen als nach Tipps zum Glas-Recycling. Dafür aber kann der verbleibende Traffic sehr wertvoll sein. Wer etwa Recycling-Tipps sucht und dann bei Galaxus landet, mag damit zwar vielleicht den Online-Händler erstmals für sich entdecken. Ein Kaufinteresse dürfte aber kaum bestehen. Wenn jemand dagegen nach einem Online-Händler sucht, hat diese Person wahrscheinlich bereits ein Kaufinteresse – und wird daher wohl auch eher zu einem Kunden.
Es muss also kein Nachteil sein, wenn der Such-Traffic abnimmt. “Unternehmen müssen damit aufhören, ihren Content für möglichst viel Traffic zu optimieren”, betont auch Uli Zimmermann, Gründer und Geschäftsführer der Online-Marketing-Agentur eMinded. “Wichtig ist, dass der verbleibende Traffic gut bearbeitet wird und gut konvertiert.” Passend dazu argumentiert auch Google, dass man weiterhin wertvollen Traffic an Publisher sende. Dazu würden Nutzer mehr Zeit auf besuchten Websites verbringen, wenn sie auf Links in den KI-Übersichten klicken.
Uli Zimmermann, Gründer und Geschäftsführer der Online-Marketing-Agentur eMinded, Bildquelle: eMinded
Auch deshalb können KI-Suchen für Unternehmen eine Chance sein. Bei Galaxus reagiert man jedenfalls gelassen auf den KI-Trend. “Die Google-Optimierung von Inhalten ist kein zentraler Bestandteil unserer Content-Strategie”, erklärt Magazin-Chef Jungfer. Galaxus lege den Fokus vielmehr auf Testberichte, bei denen man Erfahrungen mit Produkten im Alltag dokumentiere. Solche “komplexeren Beiträge” werden Jungfer zufolge aktuell sogar stärker geklickt als zuvor, wenn Links zu diesen Artikeln bei Google in den Trefferseiten erscheinen. Er kann deswegen durchaus verschmerzen, dass es bei einigen Artikeln weniger Klicks über Google gibt. Zumal gute Testberichte dafür sorgen sollten, dass im Netz über Galaxus gesprochen wird. In Bezug auf GAIO und KI-Suchen ist das ja auch keine schlechte Ausgangsbasis. Der 26. März dürfte daher keine besondere Bedeutung bekommen – zumindest für den Online-Händler Galaxus.